Unglücksstein in den Hanstedter Bergen

Auszug aus Artikel von Christa Brockmann im Winsener Anzeiger vom 17.11.2020

Tief in den Hanstedter Bergen, von Fahrzeugen nur schwer erreichbar, steht ein riesiger vermooster Findling. Er hat einen Umfang von 4,80 Metern, sein Gewicht wird von Sachverständigen auf fast 5000 Kilogramm geschätzt. Die verwitterte Inschrift lautet „Hermann Peters/Dierkshausen 19. Gilbhard 1933“. Ausflügler verirren sich kaum dorthin. Was hat es mit dem großen Stein an so abgelegener Stelle auf sich?

Unglücksstein

Der Koloss erinnert an ein dunkles Kapitel in der deutschen Geschichte. Denn an dieser Stelle starb ein Mann. Das tragische Unglück ist heute nur noch wenigen bekannt.“ Während des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 hat es einen Adolf-Hitler-Kult gegeben. Das Pflanzen einer Hitler-Eiche ist ebenso üblich gewesen wie die Huldigung des Diktators durch einen beschrifteten riesigen Findling.

Auch in Jesteburg hat man so einen Hitler-Stein aufstellen wollen. Bei der Suche nach einem besonders großen Exemplar ist man in den Hanstedter Bergen fündig geworden. Ein Gespann mit vier Pferden, geführt vom Jesteburger Ziegeleikutscher August Riebesehl, dem Jungbauern Hermann Peters aus Dierkshausen und weiteren Hilfskräften, machte sich auf den Weg. Schnell erkannte man, dass der ausgesuchte Koloss die Transportmöglichkeiten wohl doch überstieg. Man entschied sich deshalb für einen geringfügig kleineren Findling, hievte diesen mit einem Flaschenzug auf den hölzernen Wagen der Jesteburger Ziegelei und machte sich auf den Heimweg. Dabei ging es durch eine kleine Senke. Hermann Peters, der das hintere Gespann führte, kam ins Straucheln, geriet unter den tonnenschweren Wagen und wurde von den großen Rädern überrollt. Er war sofort tot.“

Laut Bericht von Riebesehls Tochter Wilma Behr wollte Peters die Stränge des Pferdegeschirrs verkürzen, was ihm wegen des unwegsamen Geländes geboten schien. Dabei zogen die Pferde unvermutet an, der junge Mann konnte nicht mehr zur Seite springen. Bis heute ist nicht klar, warum auf dem Gedenkfindling das Datum 19. Gilbhard (Oktober) 1933“ steht. Das sei der Tag der Beerdigung gewesen, informiert Albers, der Unfall sei jedoch schon vorher, am Erntedanksonntag, dem 1. Oktober 1933, geschehen.

Etwas mysteriös ist der Eintrag im Sterbebuch des Standesamtes Hanstedt. Dort wird der Todestag „auf Anweisung des Landrates“ mit 15. Oktober 1933 angegeben. Daneben steht der Vermerk „Tot aufgefunden“. Weitere Eintragungen über den Unfallhergang, der sich ganz offensichtlich nicht zum Politikum entwickeln durfte, sind nicht bekannt. Auch die Heimatpresse gibt darüber keine Auskunft. Die „Winsener Nachrichten“ berichteten am 23. Oktober 1933 lediglich umfangreich über die große Anteilnahme der Bevölkerung bei der Trauerfeier auf dem Hanstedter Friedhof. Auch zahlreiche Mitglieder der damaligen Parteiorganisation SA, der Hermann Peters angehörte, waren dabei. Der Findling aus den Hanstedter Bergen wurde als Hitler-Denkmal an der Kreuzung Schützenstraße/Schierhorner Weg in Jesteburg aufgestellt. Nach dem Krieg wurde die Inschrift abgeschliffen. Der Stein landete auf dem Gelände der Zimmerei Bahlburg an der Brückenstraße. Heute fristet er ein Stück weiter längs im Beet vor dem Drogeriemarkt ein unbeachtetes Dasein. Von seiner einstigen Größe ist nichts mehr zu sehen, denn er wurde tief in die Erde eingegraben.